Michael Stoffels und Sabine Stammen suchen Ehrenamtler, die Kindern aus geflüchteten Familien beim Deutschlernen helfen wollen.
Für Kinder aus geflüchteten Familien war das vergangene Jahr mit Lockdown und Digitaunterricht besonders schwer. Die Freiwilligenagentur in Kempen sucht nun Ehrenamtler, um ihnen die deutsche Sprache zu vermitteln.
An der Astrid-Lindgren-Grundschule in Kempen lernen viele Kinder, die mit ihren Familien geflüchtet sind. Sie sind beispielsweise aus Syrien oder Afghanistan nach Deutschland gekommen, ohne die deutsche Sprache zu sprechen. Normalerweise lernten sie die Sprache durch andere Kinder, berichtet Sabine Stammen, Leiterin der Astrid-Lindgren-Grundschule: „Sie lernen am meisten im Klassenverband, nachmittags im Offenen Ganztag, im gemeinsamen Spiel und in Vorlese-AGs.“ Auch bei außerschulischen Aktivitäten, etwa beim Sport, lernten die Kinder hinzu.
Doch als die Corona Pandemie um sich griff und viele Aktivitäten zum Erliegen kamen, Sport in Vereinen nicht mehr stattfinden konnte und die sonst in den Schulen tätigen Ehrenamtler einzelne Kinder auch nicht mehr unterstützen durften, wurde dieses Sprachenlernen für die Kinder immer schwieriger. Der Unterricht fand teilweise digital statt, Lehrer besuchten die Familien und erklärten Kindern und Eltern den digitalen Weg, um am Online-Unterricht teilnehmen zu können. Für Kinder von Geflüchteten eine Herausforderung, berichtet Stammen: „Die Kinder haben den Nachteil, dass da vom Elternhaus nicht genügend Unterstützung kommt – durch die Sprachbarrieren.“
In Kempen sollen diese Kinder nun ihre Sprachdefizite aufholen. In Zusammenarbeit mit Schulen und der Freiwilligenagentur sucht der Arbeitskreis Asyl und Menschenrechte (Akam) Ehrenamtler, die nach den Sommerferien zunächst für vier Monate, voraussichtlich bis zu den Weihnachtsferien, die Kinder in kleinen Gruppen sprachlich fördern wollen. An der Astrid-Lindgren-Grundschule rechnet man mit 40 Kindern, die die Förderung benötigen, an der Gesamtschule mit etwa 30. An beiden Schulen ist der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund hoch: Laut Akam liegt er an der Astrid-Lindgren-Grundschule bei 45 Prozent, an der Gesamtschule bei gut 30 Prozent.
Im Arbeitskreis habe man überlegt, den Sprachunterricht in kleinen Gruppen mit drei bis fünf Kindern anzubieten, sagt Michael Stoffels vom Arbeitskreis. Aber 70 Kinder – „das überfordert uns sehr“. Sieben Freiwillige haben sich bereits gemeldet, zehn wären schön, sagt Stoffels. Deshalb hofft er, nun weitere Ehrenamtler gewinnen zu können, die Freude daran haben, einmal wöchentlich etwa vier Kindern die deutsche Sprache zu vermitteln.
Die Sprachprobleme der Kinder seien sehr unterschiedlich, berichtet Stoffels: „Manche Kinder sind ganz fit, andere können überhaupt kein Deutsch.“ Das mache es auch für die Schulen so schwierig, die Kinder entsprechend individuell zu fördern. „Die Kinder kommen meistens als sogenannte Nullsprachler zu uns“, sagt Grundschulleiterin Stammen. Das bedeutet: Sie können überhaupt kein Deutsch. „In den Familien wird verständlicherweise meist die Muttersprache gesprochen“, fügt Stammen hinzu. Zwar seien über das Schulamt für jedes Kind ein paar Unterrichtsstunden DaZ (Deutsch als Zweitsprache) vorgesehen, doch das zu organisieren, sei auch für die Schule nicht einfach, denn den DaZ-Unterricht geben Lehrer – und die sind knapp.
Umso mehr freut sich Stammen über Angebote, die den Kindern aus geflüchteten Familien beim Sprachenlernen helfen sollen. Durch ein Förderprogramm konnten Kinder mit Migrationshintergrund beispielsweise in den ersten beiden Wochen der Sommerferien in Präsenz an den Grundschulen weitere Deutschkenntnisse erlangen. Der Unterricht in Kleingruppen, der von Akam und Freiwilligenagentur organisiert wird, soll nun ein weiterer Baustein sein. Als Ehrenamtler angesprochen sollen sich alle fühlen, die den Kindern die deutsche Sprache vermitteln wollen. Das können etwa pensionierte Lehrkräfte sein oder Lehramtsanwärter, für die die Tätigkeit sicherlich „ein Zugewinn“ sei, um Praxiserfahrung zu sammeln, so Stammen. Es sei aber nicht Voraussetzung, angehende oder pensionierte Lehrkraft zu sein, betont Stammen: „Die Freiwilligen sollten bereit sein, die Kinder zu unterstützen. Und sie bekommen auch von der Schule jegliche Unterstützung.“
Wann die Sprachförderung für die Gruppen angeboten werden soll, wollen Arbeitskreis und Schulen noch besprechen, wenn sich Interessierte gemeldet haben. Sie soll in den Schulen stattfinden, „damit das Angebot möglichst niederschwellig ist, Eltern nicht überlegen müssen, wie sie die Kinder bringen und holen“, sagt Stammen. Deshalb wäre auch ein Einsatz am Nachmittag, wenn die Kinder den Offenen Ganztag besuchen, denkbar.
Die Organisatoren hoffen nun, dass die Corona Infektionszahlen nicht steigen und sie das Projekt wie geplant umsetzen können. Der gemeinsame Unterricht in Präsenz sei für die Kinder sehr wichtig, sagt die Schulleiterin. Nach den Ferien starte an der Astrid-Lindgren-Grundschule der Unterricht „wie gewohnt mit einem ganz normalen Stundenplan in Präsenz“. Natürlich gelte im Schulgebäude weiterhin die Maskenpflicht, auch die gewohnten Corona-Regeln wie Abstand halten und Lüften müssen weiterhin umgesetzt werden. „Ich hoffe, es bleibt so“, sagt Stammen. „Ich hoffe, dass wir jetzt wieder in eine Normalität reinkommen, auch außerschulisch.“ Natürlich habe man versucht, in Videokonferenzen den persönlichen Kontakt zu den Schülern zu halten, doch es sei eben etwas anderes, ob man digital daheim lerne oder in der Schule. Stammen: „Das Lernen voneinander und miteinander hat gefehlt.“
Die Schulleiterin berichtet, wie sehr sich die Schüler freuten, als sie vor den Sommerferien wieder an die Schulen zurückkehren konnten – und wie mit ihnen der Trubel und das Lachen zurückkehrten. Stammen: „Dieses Lebendige war lange Zeit ja gar nicht möglich. Man kann ja vieles online machen, aber es ist nicht vergleichbar mit realen sozialen Kontakten.“
Info
Kontakt über die Freiwilligenagentur
Kontakt Wer Kindern von Geflüchteten in den vierten und fünften Klassen für ein bis zwei Stunden wöchentlich beim Deutschlernen helfen will, wendet sich an die Freiwilligenagentur Kempen, telefonisch unter 02152 917 1030, oder per E-Mail:
freiwilligenagentur@kempen.de.