zur Ergänzung vom 22.02.2020
Weihnachtsbrief 2019 von AKAM an Minister Stamp und unsere beiden MdB's Uwe Schummer und Udo Schiefner.
Die desaströse Lage von rund geflüchteten 4.100 unbegleiteten Kindern und Jugendlichen in den Hotspots auf den griechischen Inseln hat AKAM veranlasst einen "Weihnachtsbrief" an politisch Zuständige zu verfassen. Kälte, Hunger, Obdachlosigkeit ebenso wie die Gefahr von Gewalt und Ausbeutung stellten eine menschenrechtlich unhaltbare Situation dar und machten eine Intervention dringend notwendig.
An
Herrn Minister Joachim Stamp
Herrn Uwe Schummer, MdB
Herrn Udo Schiefner, MdB
Geflüchtete Unbegleitete Kinder und Jugendliche in Griechenland
Sehr geehrte Herren,
wir sagen Ihnen sicher nichts Neues. Das Thema wurde in den letzten Wochen in verschiedenen Medien angesprochen, es wurde auf der Innenministerkonferenz, die im vergangenen Monat stattfand, diskutiert. Gemeint ist die Situation geflüchteter Kinder und Jugendlicher in Griechenland. Deren Situation ist schlechthin katastrophal und widerspricht allen Regeln und Vorgaben des Kinderschutzes. Ihr Kollege, sehr geehrter Herr Stamp, der Innenminister von Niedersachsen Boris Pistorius hat daher nach einem Besuch auf Lesbos ein Sofortprogramm des Bundes noch vor dem Winter gefordert. Viele der jungen Geflüchteten lebten „in Zelten oder unter Plastikbahnen unter furchtbaren Bedingungen“. Von den rund 1000 minderjährigen Flüchtlingen allein auf Lesbos sei etwa die Hälfte jünger als zwölf Jahre. Insgesamt dürften sich etwa 4.100 minderjährige Flüchtlinge in Griechenland aufhalten.
Die Forderung des Landesinnenministers von Niedersachsen stieß nicht auf die Zustimmung des Bundesinnenministers Seehofer. „Derzeit“, so ließ er über einen Sprecher dem „Evangelischen Pressedienst“ mitteilen, „liegen auf Bundesebene keine derartigen Planungen vor.“. Wir finden dies empörend, so dass wir diesen unseren „Weihnachtsbrief“ den Kindern und Jugendlichen widmen wollen, die in Griechenland in überfüllten „Hotspots“ oder auf der Straße leben müssen, ungeschützt vor Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch, ohne ausreichenden Zugang zu Nahrung und Unterstützung. Der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) hat die vielfachen und massiven Verstöße gegen die UN-Kinderrechtskonvention, deren Verankerung im Grundgesetz gegenwärtig debattiert wird,
umfassend dokumentiert.
Angesichts der dramatischen Lage vor Ort, zumal jetzt im Winter, appellieren wir an Sie auf Bundes- und Landesebene das in ihren Möglichkeiten Liegende zu tun, damit gehandelt wird, damit die Kinder und Jugendlichen unbürokratisch und schnell hier Schutz und Aufnahme finden.
Aufnahme von geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus Griechenland jetzt umsetzen!
Landesflüchtlingsräte, PRO ASYL und der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. (BumF) kritisieren Blockade der Bundesregierung.
Presseinformation Pro Asyl, 22. Januar 2020
Im fünften Jahr des EU-Türkei-Deals harren zehntausende Menschen unter katastrophalen menschenunwürdigen Bedingungen auf den griechischen Inseln aus. Unter ihnen sind tausende Kinder und Jugendliche, sie machen mehr als ein Drittel der derzeit rund 41.000 Geflüchteten aus. Mehr als 60 Prozent der Kinder sind unter 12 Jahre alt.
Knapp 15% aller Kinder und Jugendlichen (etwa 2.000) auf den griechischen Inseln flohen allein oder sind von ihren Familien getrennt und komplett auf sich allein gestellt. Viele von ihnen leben schutzlos in Zelten, auf der Straße oder sind unter dem Vorwand, es sei zu ihrem eigenen „Schutz“, sogar inhaftiert. Der Zugang zu Betreuung, Bildung und notwendiger (medizinischer) Versorgung bleibt vielfach verwehrt. Diese Situation verletzt in einem massiven, teils lebensbedrohlichen Ausmaß die Rechte der Kinder und Jugendlichen. Ein Großteil von ihnen hat Angehörige in Deutschland.
PRO ASYL, die Landesflüchtlingsräte und BumF sind empört über die Blockade des Bundesinnenministeriums und fordern, die Aufnahme der Schutzsuchenden von den griechischen Inseln in Deutschland ohne weitere Verzögerung umsetzen.
PRO ASYL, Landesflüchtlingsräte und B-UMF stellen fest:
Sieben Bundesländer und mindestens 15 Kommunen haben öffentlich Plätze für die Aufnahme von unbegleiteten Kindern und Jugendlichen von den griechischen Inseln angeboten. Die Aufnahmebereitschaft ist in Deutschland also weiterhin hoch. Wer jetzt die Aufnahme verweigert, trägt dazu bei, dass die Kinder- und Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen immer weiter andauern. Kindeswohl und Kindesschutz enden aber nicht an der Landesgrenze. Es ist unsere humanitäre Pflicht, jetzt zu handeln.
In Deutschland haben bundesweit zahlreiche Jugendhilfeeinrichtungen freie Plätze und können die schutzbedürftigen Kinder und Jugendlichen sofort betreuen. Eine Vielzahl der festsitzenden Flüchtlingskinder hat auch Angehörige, die bereits in Deutschland leben und hier im Asylverfahren sind. Ihre Aufnahme ist kein Gnadenakt, sondern beruht auf einem Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung über die Dublin-Verordnung. Die Verfristung der Antragstellungen in Griechenland liegt auch an den katastrophalen Zuständen, die Europa mit dem EU-Türkei-Deal bewusst herbeigeführt hat.
Die Aufnahme von unbegleiteten Kindern und Jugendlichen kann nur ein Anfang sein. Die sogenannten Hotspots müssen umgehend geschlossen werden. Wenn die Menschenrechte auch an den europäischen Außengrenzen gelten sollen, braucht es den Zugang zu einem Asylverfahren innerhalb der EU, und dieser ist im Schlamm und Morast der sogenannten „Hotspots“ nicht möglich.
Kontakt:
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.:
Kai Weber, Geschäftsführer
Tel.: 0511 – 84 87 99 72
E-Mail:
kw@nds-fluerat.org,
nds@nds-fluerat.org
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Dörthe Hinz
Tel.: 0511 – 98 24 60 37
E-Mail:
dh@nds-fluerat.org,
nds@nds-fluerat.org
Hintergrund:
Anfang November 2019 erklärte der Sprecher der A-Länder der Innenminister_innenkonferenz, Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius, nach einer Griechenland-Reise, er wolle unter seinen Amtskolleginnen in den Bundesländern und bei Bundesinnenminister Horst Seehofer dafür werben, etwa über mögliche Sonderkontingente, unbegleitete Kinder und Jugendliche von den griechischen Inseln in Deutschland aufzunehmen. Konkret will Pistorius bis zu 200 Kinder und Jugendliche nach Niedersachsen holen. Frankreich hat die Aufnahme von 400 Personen zugesagt. Dies ist eine unangemessen geringe Zahl, aber mehr als nichts. Nach Medienberichten hat Bundesinnenminister Seehofer eine Aufnahme komplett abgelehnt.
Anfang Dezember 2019 erklärten die Bundesländer Berlin, Niedersachsen und Thüringen in einem Schreiben ihre Aufnahmebereitschaft für unbegleitete Kinder und Jugendliche aus Griechenland gegenüber Bundesinnenminister Seehofer. Seither haben außerdem die Bundesländer Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg und Rheinland-Pfalz politisch erklärt, ebenfalls für Aufnahmen bereit zu stehen.
Ausgehend von einer Initiative des Potsdamer Oberbürgermeisters Mike Schubert haben in den letzten Wochen neben Potsdam mindestens 15 Kommunen konkrete Aufnahmeplätze öffentlich benannt bzw. in Aussicht gestellt, darunter die Städte Frankfurt (Oder), Düsseldorf, München, Kiel, Teltow und Freiburg.